Mein Weg zu einem besseren Projekt
Leitfaden für eine
Betriebsanalyse
Softwareentscheidungen in der
Nahrungsmittelbranche
Ich möchte Ihnen verdeutlichen, wie es oft
läuft und wo die Vorteile des “Verfahrens mit einem
Projekt - Coach” liegen.
Lastenheft /
Pflichtenheft?
Aus der Erfahrung von über 200
Kundenprojekten zur Einführung neuer (EDV+Technik)
Lösungen für Unternehmen im Nahrungsmittelbereich
(Produktion und Handel) in den letzten 30 Jahren, hier die
Zusammenfassung als Leitfaden.
Kurzdefinitionen der Begriffe:
Lastenheft:
Die dokumentierte Beschreibung des Auftraggebers
(die eigene Firma), was die anzustrebende Lösung genau
beinhalten und bewirken soll. In der Regel eine Mischung aus
Istzustand und dem zukünftigen Sollzustand.
Pflichtenheft:
Beschreibung des Auftragnehmers (z.B. ein
Systemhaus für Hard- und Software), wie die Wünsche und
Anforderungen aus dem Lastenheft zur Erreichung des Sollzustandes
umgesetzt werden.
Die folgenden Aussagen gelten für kleine und
mittelständische Unternehmen (KMU). Hier definiert in der
Größe von 3 bis 250 Mitarbeitern, wobei die obere Grenze
etwas von der Art der Beschäftigten abhängt. (Verwaltung
/ gewerbliche Mitarbeiter)
Werden Lastenhefte und Pflichtenhefte für
eine erfolgreiche Lösungsumsetzung ohne Konflikte
benötigt?
Ja
Sind Unternehmen und deren Systemlieferanten
in der Lage diese Dokumente ausreichend detailliert zu erstellen,
um damit eine Umsetzung ohne Probleme und anschließenden
Konflikte zu gewährleisten?
In der Regel: Nein
Begründung dieser
Aussagen:
Um ein aussagekräftiges Lastenheft mit der
notwendigen Detailtiefe zu erstellen, ist der Aufwand an Personal
und Zeit riesig. Dazu müsste in der eigenen Firma ein
geeigneter Mitarbeiter vorhanden sein und mit dem nötigen
Zeitfenster für die Analyse der Abläufe und Verfassung
der Dokumentationen von allen anderen Aufgaben entbunden werden.
Der Mitarbeiter muss über ausreichende Kenntnisse
verfügen in:
-
Betriebsabläufen (Organisation, Warenfluss, Produktion)
- Technik
(Maschinen, Hard- und Software, Netzwerk, Verkabelung)
-
Maschineneinsatz (Automation, Verpackung, Kennzeichnung)
-
Gesetzliche Anforderungen (Finanzbehörde, Eichamt,
Veterinärkontrolle, EU-Richtlinien, Rückverfolgbarkeit,
Kennzeichnungspflichten, Deklaration von Nährwerten und
Allergenen)
-
Betriebswirtschaft (kaufmännische Grundkenntnisse, Statistik,
Analysen, Reporting)
-
Kundenanforderungen (Audits, Kennzeichnung, Barcodes, EDI-
Schnittstellen, Streckengeschäft, Deklarationen /
Artikelspezifikationen)
- Quality
Management (ISO / IFS, QM Handbuch, betriebliche Dokumentation der
Arbeitsanweisungen und Verfahrensanweisungen, Analyse von
Abweichungen, QM - Aufzeichnungen)
-
Betriebsdatenerfassung (Zeiten, Gewichte, Mengen, Zeiträume,
Keimzahlen, Temperaturen, pH-Wert, Monitoring)
- Logistik
(Auftragserfassung, Tourenplanung, “Just in Time”,
Leerguthandhabung, Verladepläne)
- Sichere
Beherrschung des Warenwirtschaftssystems und sicherer Umgang mit
[MS] Office Software
-
Vergleiche der Abläufe in ähnlich gelagerten Firmen
- Analyse
der zukünftigen Wünsche und Ziele der
Geschäftsleitung mit offener Fragestellung (ohne Bezug auf den
eigenen Arbeitsplatz)
Die Summe dieser Kenntnisse sind in der Regel nur
durch viele Jahre Berufspraxis in verschiedenen Tätigkeiten,
regelmäßigem Update des Wissens, vor allem im Bereich der
einsetzbaren Technik, Hard- und Software sowie dem Wandel der
Anforderungen von Außen, zu erzielen. Personen mit diesem
umfangreichen Spezialwissen und Kenntnissen sind in den Betrieben
gewöhnlich nicht vorhanden.
Ähnlich sieht es auf der Anbieterseite
(Pflichtenhefterstellung) aus:
Die vom Anbieter beauftragten Mitarbeiter sind
für EDV-Projekte in der Regel (Fach-)Informatiker mit
Schwerpunkt in Hard- und Software. Diese kennen die
Möglichkeiten des eigenen Produktes und versuchen damit zu
beschreiben, wie die Anforderungen im Lastenheft damit umgesetzt
werden können. Das ergibt zwangsläufig immer nur eine
sehr einseitige Betrachtung von Lösungsmöglichkeiten, da
der Anbieter nur das Interesse daran hat, sein eigenes Produkt zu
verkaufen und zu implementieren. Im Idealfall erhält man
zumindest ein Festpreisangebot für die Erstellung von
fehlenden Eigenschaften und Funktionen der Hard- und
Software.
Das Angebot, das auf der Grundlage des
Pflichtenheftes erstellt wird, muss dann vom Mitarbeiter im Hause,
der das Lastenheft kreiert hat, bewertet werden. Eine sehr
anspruchsvolle Aufgabe, die die Angestellten im Unternehmen meist
überfordert.
Größenordnung / wirtschaftliche
Betrachtung:
Auftraggeberseite:
Der Aufwand für die Erstellung eines
aussagekräftigen, einsetzbaren Lastenheftes liegt bei
Erstellung durch einen eigenen Mitarbeiter im eigenen Unternehmen
zwischen 1 und 12 Monaten. Abhängig von der
Firmengröße, Projektgröße und Komplexität
des Unternehmens sowie der Art der zukünftigen
Anforderungen.
Müssen vom Mitarbeiter noch zusätzliche
Kenntnisse erworben werden, verlängern sich die Laufzeiten und
die Kosten erhöhen sich.
Insgesamt erhält der Betrieb (und die
Systemlieferanten) mit viel Aufwand und hohem Einsatz ein
Lastenheft als Vorgabe, das meist eine eingeschränkte Sicht
auf den Betrieb liefert ohne einen größeren Blick aufs
Ganze zu bieten. Eine gewisse “Betriebsblindheit”, die
sich im Laufe der Zeit einstellt, ist bei den meisten Lastenheften
/ Beschreibungen dieser Art zu erkennen.
Wegen dieses hohen Aufwands und den damit
verbundenen Kosten bleibt es dann meist bei einem Konstrukt,
welches von der Geschäftsleitung, in Zusammenarbeit mit 1 oder
2 leitenden Angestellten, zusammengeschrieben worden ist. Das sind
dann zwischen 5 und 10 Seiten Text, der in der “Fachsprache
der Firma” verfasst wurde. Das bedeutet, es werden oftmals
Ausdrücke oder Arbeitsweisen mit Worten beschrieben, die kein
Allgemeingut sind und daher von Außenstehenden nur schwer
interpretierbar sind. Tiefere Details in Stammdaten und
Abläufen werden meist gar nicht berücksichtigt, weil
diese für die Firma und der bisher eingesetzten Lösung
als grundsätzlich vorhanden angesehen werden.
Auftragnehmerseite:
Das daraus resultierende Pflichtenheft des
Anbieters wird ebenfalls mit hohen Kosten aus dem Lastenheft
erarbeitet und enthält in der Regel noch viel mehr Lücken
als das Lastenheft. Denn kein Anbieter von Lösungen kann sich
wirtschaftlich so lange mit der Ausarbeitung einer wirklich
passenden Lösung beschäftigen, wie es nach dem
“Bilderbuchverfahren” erforderlich wäre.
Die Folgen sind stockende Projekte, enorm
steigende Kosten und Unzufriedenheit auf beiden Seiten und
oft auch noch Rechtsstreitigkeiten.
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Fazit:
Das Verfahren mit umfangreichem, detaillierten
Lastenheft sowie dem passenden Pflichtenheft ist eine
Wunschvorstellung, die nur bei großen Projekten und der
entsprechenden Betriebsgröße wirtschaftlich umsetzbar
ist.
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In KMU - Betrieben (Definition oben) hat sich
folgende Arbeitsweise als ein gangbarer Weg herauskristallisiert.
Diese basiert darauf, dass beide Seiten mit einer entsprechenden
Kompromissbereitschaft in die Zusammenarbeit starten und die
Lösungen eine gewisse Flexibilität bieten.
Lösungsweg:
Es wird ein neutraler Betriebsberater, der
über die entsprechenden Fachkenntnisse verfügt,
eingesetzt. Dieser führt die nötigen Analysen und
Interviews durch, ermittelt die Ziele der Auftraggeber
(Geschäftsleitung) für die Zukunft und erstellt daraus
ein Lösungskonzept.
Dieses Lösungskonzept, dass nicht den Umfang
eines vollständigen Lastenheftes enthält, wird mit dem
Leistungsvermögen der möglichen Systemanbieter
abgeglichen.
Der neutrale Berater begleitet die
Vorführtermine und berät den Betrieb bei der Auswahl der
passenden Lösung.
Gibt es im laufenden Prozess der
Betriebseinführung Probleme oder Projektverzögerungen,
wird ein (ggf. weiterer / separater) Berater als Mediator zur
Konflikt- und Problemlösung eingesetzt. Das dient zur
Vermeidung von gerichtlich zu klärenden Streitigkeiten, bei
denen es in der Regel nur wirtschaftliche Verlierer auf beiden
Seiten gibt. Das dabei erzielte Ergebnis ist selten wirklich eine
Problemlösung. Und gerichtliche Entscheidungen sind sehr
langwierig.
Dieses vereinfachte Verfahren aus Betriebsanalyse
und Erstellung eines Anforderungsprofils, dass den
Lösungsanbietern als Angebotsgrundlage dient, hat sich in der
Praxis am besten bewährt. Vor allem sind diese Verfahren in
deutlich kürzerer Zeit und mit geringeren Kosten bei besseren
Ergebnissen umzusetzen.
Ablauf einer Analyse
Für das erste Analysegespräch wird ein
Zeitrahmen von möglichst einem Tag veranschlagt. Dieser Tag
dient der Wunschdefinition und Ermittlung sowie Einschätzung
der Machbarkeit unter erster grober Einschätzung der
möglichen Projektkosten. Sollte sich hier zeigen, dass der
Projektwunsch nahezu unmöglich ist oder die Projektkosten die
Leistungsfähigkeit des Betriebes übersteigen würden,
kann sofort nach einer Alternative gesucht werden, ohne die
Kosten aufzublähen.
Termin: Sollte so gelegt werden, dass ein
normaler, möglichst durchschnittlicher Arbeitstag abgebildet
wird. Man beginnt in der Regel gegen 9:00h, damit alle
teilnehmenden Mitarbeiter die wichtigsten Vorarbeiten des Tages
anstoßen können.
Nach kurzer Kennenlernrunde wird ein
Betriebsrundgang durchgeführt, möglichst dem Weg der Ware
durch den Betrieb folgend. Produktionsbereiche sollten in der
Reihenfolge vom Rohprodukt bis zum Fertigprodukt durchlaufen
werden. Auch der Bereich Lagerung, Kommissionierung und Versand
inklusive Verladung sollten unbedingt Teil des Rundgangs
sein.
Im Anschluss wird im Büro entweder auf einem
weißen Blatt Papier oder anhand einer Kopie des Grundrisses
für den Betrieb ein Grundkonzept besprochen. In lockerer Runde
sollte eine Ist- Analyse skizziert und durch die zu erreichenden
Ziele ergänzt werden.
Diese erste Runde sollte den Zeitrahmen von 4
Stunden nicht überschreiten. Die Teilnehmer sollten Telefon
und Handy stumm schalten und externe Störungen sollten soweit
wie möglich vermieden werden. Steht im Betrieb kein
ausreichend ruhiger Besprechungsraum für diese Analyse zur
Verfügung, sollte die Besprechung unbedingt in ein anderes
Gebäude verlegt werden. Auf keinen Fall sollte das
Gespräch mitten in den Büroräumen des aktiv
arbeitendem Betrieb stattfinden, wo laufend die Telefone klingeln
oder die Mitarbeiter / Gesprächsteilnehmer sich zwischendurch
ständig um Betriebsabläufe kümmern müssen. Es
ist erforderlich, dass ein Entscheider die gesamte
Gesprächszeit dabei ist, um den Mitarbeitern die Wichtigkeit
dieser Gespräche zu signalisieren.
Reichen diese ersten vier Stunden für die
grobe Übermittlung des Zukunftswunsches nicht aus, sollte das
Gespräch erst nach einer ausgiebigen Mittagspause mit einem
entsprechenden Zeitrahmen für unbedingt nötige
Gespräche und kurze Telefonate der Teilnehmer fortgesetzt
werden.
Ansonsten wird die verbleibende Zeit des Tages
für den Berater zur ersten Dokumentation des
Gesprächsinhaltes genutzt.
Am Ende des ersten Gesprächstages werden die
nächsten Schritte definiert (Next Steps). Teilaufgaben werden
verteilt, so dass nötige Zuarbeiten für den Berater
erstellt werden können. Zu jedem dieser Punkte muss der
durchführende Mitarbeiter benannt und ein Zeitrahmen
dafür festgelegt werden.
Für die weiteren Konzeptarbeiten wird als
Faustformel pro Gesprächstag ein weiterer Beratertag für
die Ausarbeitung des Anforderungsprofils und gerechnet.
Das ausgearbeitete Erstkonzept wird dem
Auftraggeber übermittelt und nach einer entsprechenden
Wartezeit für die Sichtung werden die weiteren Schritte
besprochen.
Über den Autor:
über 30 Jahre Berufspraxis in und mit
Lebensmittel erzeugenden Firmen
Ausbildungen in Technik, Betriebswirtschaft und
Softwareentwicklung
Zusatzqualifikationen in QM und
Lebensmittelkontrolle, Desinfektion
Spezielle vertiefte Kenntnisse in folgenden
Bereichen:
-
Einführung / Erneuerung von ERP Software /
Warenwirtschaft
-
Projektarbeiten (Technik und Software)
-
Rationalisierung bestehender Prozesse durch neue Technologien
-
Konzeption und Einführung mobiler Endgeräte (Cloud,
Tablet und Smartphone) zur Prozessoptimierung
-
Machbarkeitsstudien im Bereich EDV
-
Erstellung von Gutachten
- Audits
(auch betriebsintern zur Vorbereitung)
-
Problemanalysen und Lösungskonzepte